Aktuell steigen die Zinsen in Deutschland und damit auch die Zinsen für deine Immobilienfinanzierung. Diese Zinsentwicklung wird sich vermutlich mindestens so lange fortsetzen, bis die Inflation wieder auf ein Normalmaß zurückgekehrt ist. Damit werden viele Familien, die vor 8 bis 10 Jahren ihre Immobilie in Deutschland erworben haben, nach ihrer 10- oder 15-jährigen Zinsbindung eine große Herausforderung bekommen:
Die Anschlussfinanzierung.
Eine Anschlussfinanzierung benötigst du nämlich dann, wenn die im Kreditvertrag vereinbarte Zinsbindungsfrist ausläuft, du aber der Bank noch Geld schuldest. Die Anschlussfinanzierung muss aber nicht bei der Bank vorgenommen werden, wo die aktuelle Immobilienfinanzierung läuft, sondern kann bei jeder beliebigen Bank abgeschlossen werden.
Wer sich die Anschlussfinanzierung nicht mehr leisten kann, muss seine Immobilie zwangsversteigern
Bei den aktuellen und zukünftig zu erwartenden Zinsen kann mit einer neuen monatlichen Rate von zusätzlich 500 Euro monatlich gerechnet werden. Dies ergibt sich aus der durchschnittlichen Berechnung eines Einfamilienhauses, welches 2015 mit durchschnittlich 1,3 Prozent Zins finanziert wurde und nun mit 3 bis 4 Prozent anschlussfinanziert werden muss.
Zusätzlich zu den steigenden Nebenkosten wie Strom, Gas und Instandhaltungen einer Immobilie, sowie den höheren Preisen für Lebensmitteln, muss sich jede Familie die Frage stellen, ob 500 Euro mehr für die Immobilienfinanzierung monatlich weiterhin finanziell vertretbar sind. Wer jetzt nicht vorsorgt und sich einen niedrigen Zins für eine Anschlussfinanzierung sichert, rutscht genau in solchem beispielhaften Fall mit seinem damals erworbenen Eigentum in die Zwangsversteigerung, wenn die Raten an die Bank nicht mehr getilgt werden können. Darüber hinaus kann es passieren, dass die Bank nicht mehr die komplette Restschuld finanziert, wenn der Marktwert der Immobilie plötzlich unter dem noch offenen Restkredit liegt. Dies kann der Fall sein, wenn die Tilgungsrate zu niedrig gewählt wurde.
Leider sind dies keine fiktiven Horrorszenarien am Finanzhorizont, sondern durchaus realistische Entwicklungen für die kommenden Jahre. Aber wie bereitest du dich unter den aktuellen Bedingungen für eine Immobilienfinanzierung am besten vor?
Wie bereite ich die Immobilienfinanzierung vor?
Um eine gute Ausgangsbasis für die Immobilienfinanzierung zu haben, solltest du zunächst einen Kassensturz machen:
- Wie viel Geld habe ich angespart?
- Wie hoch sind meine Einnahmen und Ausgaben?
- Sind in den nächsten Jahren Veränderungen zu erwarten, zum Beispiel Familiennachwuchs, die meine finanzielle Situation beeinflussen können?
- Stehen noch Modernisierungen oder Instandhaltungen für die Immobilie an?
Danach kannst du abschätzen, wie hoch der Kreditrahmen der Immobilienfinanzierung oder der Anschlussfinanzierung sein wird, und was du dir monatlich leisten kannst.
Wie bekomme ich die besten Zinsen bei der Immobilienfinanzierung?
Die aktuellen Bauzinsen werden durch die Zinsen von Staatsanleihen als auch von der Zinspolitik der Notenbanken beeinflusst. Zurzeit spielen auch Inflationserwartungen eine Rolle. Wie hoch die Zinsen für deine Immobilienfinanzierung oder die Anschlussfinanzierung tatsächlich sind, erfährst du entweder bei einem Finanzberater / einer Finanzberaterin oder wenn du mit deiner Bank sprichst. Allerdings kannst du dir über einen Baufinanzierungsrechner schon einen ersten Anhaltspunkt dafür holen, wie hoch die aktuellen Bauzinsen sind. Deine Anschlussfinanzierung kannst du im aktuellen Zinsumfeld etwa ein bis drei Jahre vor Ablauf der Zinsbindungsfrist beginnen.
Tatsächlich hast du bei der Immobilienfinanzierung auch ein paar Möglichkeiten deinen persönlichen Bauzins zu beeinflussen. Anbei die wichtigsten im Überblick:
Eigenkapital
Beim Kauf einer Immobilie ist es sinnvoll, möglichst viel Eigenkapital einzubringen. Umso mehr Barmittel du selber aufbringen kannst, umso besser wird der Zins sein, den dir das Kreditinstitut anbietet. Vielen Banken empfehlen einen Eigenkapitalanteil von 20 bis 30 Prozent der Gesamtkaufkosten für die Immobilie.
Auch bei Anschlussfinanzierung ist es grundsätzlich immer gut, wenn du Ersparnisse hast, um die Restschuld zu senken.
Tilgungsrate
Hier gilt: Umso niedriger die Tilgung, desto teurer ist der Zinssatz. Dennoch steigt mit einem höheren Tilgungssatz auch deine monatliche Rate. Insgesamt sollte die Tilgung mindestens jedoch zwei bis drei Prozent betragen.
Sollzinsbindung
Bei einem Kreditabschluss musst / musstest du dich für eine bestimmte Zinsbindung entscheiden. In dieser Zeit bleibt der Sollzins immer gleich hoch, das heißt du zahlst bei einem Annuitätendarlehen immer dieselbe fixe Rate. Anders gesagt: Lange Zinsbindungen geben dir Sicherheit, weil die Finanzierungsrate dann über einen langen Zeitraum kalkulierbar ist. Dies lässt sich die Bank in der Regel bezahlen, indem sie Aufschläge auf den Sollzins von etwa 0,5 Prozentpunkten pro fünf Jahre mehr ansetzt.
Aktuell haben wir durch die Unsicherheit bezüglich der Inflationsentwicklung die Besonderheit einer inversen Zinskurve. Dabei werden langfristige Kredite niedriger verzinst als kurzfristige Schuldtitel. Dies kannst du dir Zunutze machen und dir nicht nur langfristig konstante Kreditraten sichern, sondern auch deinen Zins für die Immobilienfinanzierung senken. In einem normalen Zinsumfeld wird dies so nicht mehr möglich sein.
Abzahlung vor der Rente
Idealerweise ist deine Immobilie spätestens bei Rentenbeginn komplett abgezahlt, denn die meisten Haushalte müssen dann mit weniger monatlichem Einkommen auskommen. Da auch Banken dies in ihre Berechnungsparameter mit einbeziehen, ist grundsätzlich zu empfehlen, bis spätestens zum Eintritt in den Ruhestand schuldenfrei zu sein.
Tilgung von Konsumentenkrediten, Ratenkäufen, Kreditkarten
In der Regel nimmt die Bank für deine laufenden Haushaltskosten eine Pauschale, unabhängig davon, wie hoch deine monatlichen Haushaltsausgaben tatsächlich sind. Hast du jetzt noch Konsumentenkredite, Kreditkartenschulden oder Ratenkäufe offen, so kann es passieren, dass die Bank mit der Immobilienfinanzierung auf einen negativen monatlichen Betrag kommt. Dann ist es sogar möglich, dass du gar keinen Kredit bekommst. Vorbeugen kannst du hier, indem du unnötige Konsumkredite vermeidest oder bestehende Altkredite vorzeitig tilgst. Dies wirkt sich im Übrigen auch positiv auf deinen Schufa Score aus, den die Bank für die Kreditvergabe überprüft.
Deine Erwerbstätigkeit
Ein regelmäßiges und sicheres Gehalt aus einer festen Anstellung nach Ablauf der Probezeit ist eine gute Voraussetzung für eine günstige Baufinanzierung. Dies bedeutet aber nicht, dass FreiberuflerInnen oder Selbstständige, grundsätzlich keinen Kredit erhalten, aber ihr Sollzins ist in der Regel wesentlich höher. Daher überlege dir, ob du der Bank als zusätzliche Sicherheit, einen zweiten Finanzierungsträger anbieten kannst. Dies kann zum Beispiel ein Elternteil oder ein Ehepartner / eine Ehepartnerin in Festanstellung sein. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einen günstigeren Zinssatz bei der Immobilienfinanzierung zu erhalten.
Zinssicherheit bei der Immobilienfinanzierung durch einen Bausparvertrag
Mit einem Bausparvertrag kannst du dir die heutigen Zinsen im Voraus sichern. Der Zinssatz für die Darlehensphase wird nämlich direkt bei Vertragsabschluss vereinbart. Ob sich ein Bausparvertrag wirklich für dich lohnt, hängt davon ab, wie du ihn genau nutzen möchtest:
- Liegt dein Einkommen unter 35.000 Euro jährlich, kannst du zusätzlich von der Wohnungsbauprämie profitieren.
- Du möchtest eine Immobilie mittels Vorausdarlehen erwerben.
- Du möchtest eine Sicherheit für zukünftige Instandhaltungen oder Modernisierungen.
Insgesamt solltest du beachten, dass der Bausparvertrag erst zuteilungsreif wird, wenn du 30 bis 50 Prozent der Bausparsumme angespart hast. Aus diesem Grund solltest du die Immobilienfinanzierung über einen Bausparvertrag am besten langfristig planen, wenn du die benötigten Barmittel noch nicht anderweitig zur Seite gelegt hast.
Steigende Zinsen als Chance für Immobilienschnäppchen
Wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille. Zum einen, wenn du als Immobilienbesitzender, wie gerade beschrieben vorsorgen musst, damit die Finanzierungsfalle durch steigende Zinsen gar nicht erst greift. Zum anderen kannst du genau in diesen Zeiten günstig Immobilien zum Beispiel aus Zwangsversteigerungen erwerben.
Hier lohnt es sich, bereits jetzt damit anzufangen, den Kauf konzeptionell vorzubereiten. Eigenkapitalaufbau für die Kaufnebenkosten, Sicherung niedriger Darlehenszinsen und gegebenenfalls Nutzung von staatlichen Förderungen für Investitionen.
Generell wird sich der Immobilienmarkt in Deutschland sehr wahrscheinlich aufgrund der gestiegenen Zinsen auf dem Preismarkt nach unten regulieren müssen. Wie weit diese Preisregulierung – vor allem in begehrten Lagen beispielsweise in München oder Berlin – tatsächlich stattfinden wird, bleibt jedoch vorerst spekulativ.
Sophie & Yvonne
Über die Co-Autorin
Sophie Pittius ist geboren und aufgewachsen in Berlin und hat sich zunächst für Fremdsprachen und Tourismus interessiert und daher in diesem Bereich eine Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin abgeschlossen. Später rundete ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre ihren Werdegang in den Finanzbereich ab.
Sophie ist eine von der IHK Berlin geprüfte Finanzanlagenvermittlerin, Versicherungs- und Immobiliendarlehensvermittlerin. Mehr Informationen über sie findest du auf ihrer Webseite.
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